Aus Sicht von ARTISET, URAVIVA, ASPS, H+, senesuisse und Spitex Schweiz ist das vorliegende Bundesgesetz über die
Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP) jedoch in dieser Form keine taugliche Lösung für dieses Anliegen. Die Verbände der Leistungserbringer fordern, dass die Finanzierung der vorgeschlagenen Massnahmen, die Mehrkosten von ein bis zwei Milliarden pro Jahr bedeuten, zwingend sichergestellt wird. Auf neue Regulierungen, die zu einer übermässigen Reduktion der Arbeitskapazität führen, den Handlungsspielraum für individuell optimal passende Lösungen weiter einengen oder gar an den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden vorbeizielen, ist zu verzichten. Stattdessen sollte die gut funktionierende Sozialpartnerschaft durch kostendeckende Tarife und Beiträge weiter gestärkt werden. Die Verbände der Leistungserbringer äusserten bereits im Rahmen der Vernehmlassung grosse Besorgnis über den Gesetzesentwurf des Bundesrates. Dieser bedeutet einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, wie auch der Bundesrat einräumt, und in die Grundlagen des bestehenden Arbeitsgesetzes. Er klammert die Finanzierung der Massnahmen komplett aus und schränkt den betrieblichen Spielraum weiter ein. Umso bedauerlicher ist es, dass der Bundesrat diese Kritikpunkte im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht aufgegriffen hat. Das Vorgehen gefährdet zudem die Versorgungssicherheit, weil die regulatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen den Leistungserbringern schon heute enge Grenzen setzen. Damit die Spitex-Organisationen, die Pflegeinstitutionen sowie die Spitäler und Kliniken ihr bestehendes Engagement für attraktive Arbeitsbedingungen weiter verstärken können, muss das neue Bundesgesetz die entsprechenden Grundlagen schaffen. Dazu gehört zwingend, dass es die Mehrkosten in der Finanzierung berücksichtigt, eine Schwächung der Versorgung verhindert und einen Spielraum für die betrieblichen Gegebenheiten und die individuellen Bedürfnisse der Arbeitnehmenden lässt.
Mehrkosten in Milliardenhöhe – ohne Finanzierungslösung
Die im BAGP vorgesehenen Massnahmen führen für die Arbeitgeber künftig zu Mehrkosten in der Höhe von hunderten Millionen Franken pro Jahr allein für die Kompensation von kurzfristigen, ungeplanten Einsätzen der Pflegepersonen. Hinzu kommen Mehrkosten bis zu 1,4 Milliarden Franken pro Jahr für die Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Dies in einem Umfeld, in dem die finanzielle Lage der Spitäler, Pflegeinstitutionen und Spitex-Organisationen ohnehin bereits äusserst angespannt ist. Die Annahme desBundes, dass die Leistungserbringer die Mehrkosten durch eine Umverteilung der Kosten im Betrieb auffangen können, ist angesichts der Unterdeckung bei den Tarifen und der Restfinanzierung komplett realitätsfremd. Die Personalkosten der Pflege stellen sowohl bei der Spitex als auch in den Spitälern und Pflegeheimen den weitaus grössten Kostenblock dar. Ohne eine klare Finanzierungsregelung werden die im Gesetz formulierten Ziele ins Leere laufen – mit negativen Folgen für Arbeitnehmende, Arbeitgebende und die Versorgungsqualität.
Keine Massnahmen, die den betrieblichen Spielraum einschränken und die Versorgungssicherheitschwächen
Damit die Leistungserbringer attraktive Arbeitsplätze bieten und auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen können, benötigen sie unternehmerischen Spielraum. Auf Massnahmen, die diesen Spielraum einschränken und die zumeist gut funktionierende Sozialpartnerschaft untergraben, ist zu verzichten. So beschränkt die Reduktion der Arbeitszeit nicht nur die Möglichkeit der Arbeitgeber, auf Wünsche der Mitarbeitenden einzugehen und zeitgemässe Arbeitsmodelle anzubieten (z.B. 6-Tage-Einsätze für Grenzgänger:innen), sie erhöht auch den Druck auf das Personal und gefährdet somit die Versorgungssicherheit. Denn die Reduktion der Höchstarbeitszeit bedeutet in der Realität nichts anderes, als dass zusätzliches Pflegepersonal eingestellt werden muss. In der aktuellen Arbeitsmarktsituation ist dies schlicht nicht möglich.
Auch wenn das Ziel des Gesetzes ist, die Verweildauer im Beruf zu erhöhen: kurzfristig bis mittelfristig führen verschiedene der vorgeschlagenen Massnahmen zu einer drastischen Reduktion der Arbeitskapazitätund somit zu einer Mehrbelastung des bestehenden Pflegepersonals. Statt solchen untauglichen Massnahmen sollte die etablierte Sozialpartnerschaft gestärkt werden, indem die Leistungserbringer kostendeckende Tarife und Beiträge erhalten und damit attraktive Arbeitsbedingungen anbieten können. Die Einführung von Regelungen für eine spezifische Berufsgruppe, die über das bestehende Arbeitsgesetz hinausgehen, führt zudem zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Mitarbeitenden in den Institutionen, etwa Physiotherapeutinnen und -therapeuten, medizinisch-technischem Fachpersonal oder Reinigungs- und Betreuungspersonal. Die Pflege- und Sozialinstitutionen, wie auch die Spitäler und Spitex- Organisationen werden gezwungen sein, die Arbeitsbedingungen auch auf die anderen Berufsgruppen auszuweiten. Dies wiederum wird weitere Mehrkosten zur Folge haben, die von den verschiedenen Finanzierern getragen werden müssen.
Bund und Kantone in der Pflicht
Mit der Annahme der Pflegeinitiative wurde Art. 117 b in die Bundesverfassung aufgenommen. Dieser nimmt den Bund und die Kantone gleichermassen in die Pflicht, wenn es um die Sicherstellung einer ausreichenden und für alle zugängliche Pflege von hoher Qualität geht. Die Arbeitgeberverbände erwarten deshalb, dass sich Bund und Kantone bei der weiteren Ausarbeitung des Gesetzes auf eine solide und faire Finan- zierungslösung einigen und auf kontraproduktive Regulierungen verzichten. Nur so können die Massnahmen Wirkung entfalten und gleichzeitig auf die vielfältigen Realitäten in der Pflegepraxis Rücksicht nehmen.
Kontakte:
ARTISET CURAVIVA
Daniel Höchli, Geschäftsführer ARTISET, Telefon: 031 385 33 48, E-Mail: media@artiset.ch
ASPS – Verband der privaten Spitex-Organisationen
Marcel Durst, Geschäftsführer, Telefon: 031 370 76 86 oder 079 300 73 59, E-Mail: marcel.durst@spitexprivee.swiss
H+ Die Spitäler der Schweiz
Anne-Geneviève Bütikofer, Direktorin, Telefon: 031 335 11 63, E-Mail: medien@hplus.ch
Spitex Schweiz
Marianne Pfister, Co-Geschäftsführerin, Telefon: 031 381 22 81, E-Mail: pfister@spitex.ch
senesuisse
Christian Streit, Geschäftsführer, Telefon: 031 911 20 00, E-Mail: chstreit@senesuisse.ch
ARTISET ist die Föderation der Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Gemeinsam mit ihren Branchenverbänden.
CURAVIVA, INSOS und YOUVITA engagiert sich die Föderation für die Dienstleister, die über 175’000 Menschen im Alter, Menschen mit Behinderung sowie Kinder und Jugendliche betreuen, pflegen und begleiten. Mit aktiver Interessenvertretung, aktuellem Fachwissen, attraktiven Dienstleistungen sowie massgeschneidertenAus- und Weiterbildungsangeboten werden insgesamt 3’100 Mitglieder mit ihren Mitarbeitenden bei der Erfüllung ihrer Aufgabe unterstützt. artiset.ch
CURAVIVA, der Branchenverband der Dienstleister für Menschen im Alter, engagiert sich als Teil der Föderation ARTISET für 1’700 Mitgliederorganisationen und die von ihnen betreuten Menschen. Im Zentrum steht der Einsatzfür Würde und Lebensqualität im Alter und für eine bedürfnisgerechte, fachlich hochstehende Begleitung, Pflege und Betreuung. curaviva.ch
Association Spitex privée Suisse ASPS ist der Branchenverband der privaten Spitex-Organisationen mit 394
Mitgliedern, welche schweizweit über 17’000 Mitarbeitenden beschäftigen. Der Marktanteil in der Pflege liegt je nach Region zwischen 10 und 45 Prozent. Die privaten Organisationen bieten die Bezugspflege an. Die Kundinnenund Kunden werden täglich durch die gleiche Person zur gleichen Zeit betreut. spitexprivee.swiss
H+ Die Spitäler der Schweiz ist der nationale Verband der öffentlichen und privaten Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen. Ihm sind 205 Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen als Aktivmitglieder an 435 Standorten sowie138 Verbände, Behörden, Institutionen, Firmen und Einzelpersonen als Partnerschafts-mitglieder angeschlossen. H+ repräsentiert Gesundheits- institutionen mit rund 200’000 Erwerbstätigen. hplus.ch
Spitex Schweiz ist der nationale Dachverband von Spitex-Kantonalverbänden und weiteren Organisationen für professionelle Pflege und Unterstützung zu Hause. Er setzt sich auf nationaler Ebene für die Interessen der Mitglieder und deren lokalen Spitex-Organisationen ein und stellt Dienstleistungen für die gesamte Branche zur Verfügung. Rund 400 Organisationen mit über 40’000 Mitarbeitenden pflegen und betreuen Menschen jeden Alters, damit diese weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung leben können. Unsere Organisationen versorgen rund 80% der Spitex-Klientinnen und -Klienten in der ganzen Schweiz. spitex.ch
senesuisse vertritt die Interessen von über 400 Betrieben im Bereich der Langzeitpflege. Als Verband in der Altersbetreuung setzen wir uns für gute Qualität und grosse Vielfalt an Angeboten ein. Bestmögliche Pflege, Betreuung und Infrastruktur für Betagte sollten wir uns als wohlhabendes Land leisten. senesuisse.ch